Eidgenössische Wahlen 2015
Befragung der Kandidierenden zum Thema 
Gleichberechtigung von Frau und Mann
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Thema
Gleichstellung bezüglich AHV-Rentenalter sowie
Witwen- und Witwerrente
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Auswertung aufgeschlüsselt nach Parteien und Geschlechtern        Erläuterung
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Frage an die Kandidierenden und prozentuale Anteile der Antworten:
    

An der Befragung nahmen insgesamt 352 Kandidierende für die eidgenössischen Wahlen 2015 teil: 115 Frauen und 237 Männer. Davon sind 19 Personen Bisherige. Die Kandidierenden gehören den Parteien (inklusive Jungparteien) wie folgt an: 
67 der SP, 45 der glp, 43 der Grünen, 42 der FDP, 33 der CVP, 28 der BDP, 27 der SVP
und 67 diversen anderen Parteien. (
Auswertung )
Erläuterung zur Gleichberechtigung bei der AHV:

Bei der AHV sind Männer gegenüber Frauen sowohl hinsichtlich Rentenalter wie auch bezüglich Hinterlassenenrente seit Jahrzehnten benachteiligt. In Anbetracht ihrer kürzeren Lebenserwartung ist das umso erstaunlicher. 

Im Alter von 65 Jahren haben Frauen in der Schweiz noch eine Lebenserwartung von 22.2 Jahren und Männer von 19.2 Jahren (Bundesamt für Statistik, Stand 2015), d.h. Frauen beziehen durchschnittlich drei Jahre länger Rente als Männer. Da Frauen auch noch ein Jahr früher als Männer in Rente gehen können, beziehen sie insgesamt durchschnittlich vier Jahre länger Rente als Männer. (Geht man bei der Berechnung von der Lebenserwartung ab der Geburt aus, beziehen Frauen sogar durchschnittlich insgesamt fünf
Jahre länger Rente als Männer.)

Das unterschiedliche Rentenalter 65 für Männer und 64 für Frauen ist kaum verständlich. Wenn schon ein unterschiedliches Rentenalter, dann wäre unter sachlichen Gesichtspunkten ein um drei Jahre höheres Rentenalter für Frauen gegenüber Männern eher nachvollziehbar. (Bis zum Jahr 2000 war übrigens schon einmal umgekehrt das Rentenalter für Männer um drei Jahre höher als jenes für Frauen.) 

Falls ein Mann heute anstatt mit 65 Jahren bereits mit 64 Jahren – also gleich wie die Frauen – in Rente gehen möchte, kann er das tun, wobei ihm dann aber die Rente lebenslänglich um etwa 6.8 Prozent gekürzt wird.

Das tiefere Rentenalter für Frauen ist mit dem Gleichberechtigungsgebot der Bundesverfassung sicher nicht vereinbar. Auch wenn wir bezüglich der Bundesgesetze keine Verfassungsgerichtsbarkeit kennen – beziehungsweise gerade deshalb – wäre es schon lange angebracht gewesen, dass sich die Parlamentsmitglieder auf ihren auf die Bundesverfassung abgelegten Eid besinnen und die AHV-Revision wirklich gleichberechtigungskonform umsetzen. Dies gilt auch hinsichtlich der Hinterlassenenrente.

Die Witwenrente ist nämlich viel weitreichender als die Witwerrente. Diesbezüglich wird immer noch von einem früheren Rollenverständnis von Frauen und Männern ausgegangen. Seit Einführung des neuen Eherechts im Jahr 1988 ist dieses überholt und die Hinterlassenenrente sollte sich unabhängig vom Geschlecht nach den tatsächlichen Verhältnissen richten.

Eine Gleichberechtigung bei der AHV wird auch mit Argumenten blockiert wie Gleichberechtigung auf keinen Fall durch Erhöhung des Frauenrentenalters oder Gleichberechtigung bei der AHV erst wenn auch die Lohngleichheit erreicht ist. Im ersten Fall hat die Ideologie Vorrang vor dem Gleichberechtigungsgebot, im zweiten Fall wird missachtet, dass das eine Recht schon besteht, das andere aber verwehrt wird. Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit ist nämlich in der Bundesverfassung verankert und für die betroffene Frau einklagbar. Ein Anspruch für den Mann, ebenso wie die Frau bereits mit 64 Jahren ohne lebenslängliche Rentenkürzung in Rente zu gehen, besteht aufgrund des Geschlechtergleichbehandlungsgebotes der Bundesverfassung zwar auch, ist mangels Verfassungsgerichtsbarkeit für den betroffenen Mann aber nicht einklagbar. Das ist der Unterschied und deshalb besteht bei der AHV seit Jahrzehnten Handlungsbedarf. Wegen der längeren Lebenserwartung der Frauen gegenüber den Männern profitieren diese ohnehin sehr stark von der AHV, selbst wenn die Lohngleichheit noch nicht in allen Fällen ganz erreicht sein sollte. 
   
 
Frauen bevorzugende und Männer benachteiligende 
gesetzliche Bestimmungen betreffend AHV:

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Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung:
(Gültige Fassung bis 31.12.2023)

Art. 21, Abs. 1:
Anspruch auf eine Altersrente haben:
a. Männer, welche das 65. Altersjahr vollendet haben;
b. Frauen, welche das 64. Altersjahr vollendet haben.

Art. 23, Abs. 1 und 4:
Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben. Der Anspruch erlischt: a. mit der Wiederverheiratung; b. mit dem Tode der Witwe oder des Witwers.

Art. 24, Abs. 1 und 2:
Witwen haben überdies Anspruch auf eine Witwenrente, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung keine Kinder oder Pflegekinder im Sinne von Artikel 23, jedoch das 45. Altersjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind. War die Witwe mehrmals verheiratet, so wird auf die Gesamtdauer der Ehen abgestellt. Zusätzlich zu den in Artikel 23 Absatz 4 aufgezählten Beendigungsgründen erlischt der Anspruch auf die Witwerrente, wenn das letzte Kind des Witwers das 18. Altersjahr vollendet hat.
 
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Link
s:
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Die Geschichte der AHV, Faktenblatt des Bundesamtes für Sozialversicherungen, 2016
    
Altersvorsorge 2020  ( Präsentation), Zusammenstellungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen, 2017
     
Das Projekt Altersvorsorge 2020 wurde in einer Volksabstimmung am 24. September 2017 abgelehnt. Die Vorlage war überladen. Ziel für weitere Vorlagen sollte es sein, die AHV
nachhaltig und generationengerecht zu reformieren. Dazu könnte das AHV-Alter  an die sich verändernde durchschnittliche Lebenserwartung gekoppelt werden.  Es könnte dann eine durchschnittliche Rentenbezugsdauer von z.B. 16 Jahren für Frauen und Männer festgelegt werden. Daraus resultierend würde das Referenzalter für Frauen und Männer getrennt berechnet. Da bei der durchschnittlichen Lebenserwartung zwischen Frauen und Männern ein signifikanter Unterschied besteht, dürfte diese geschlechtsspezifische Differenzierung durchaus angebracht sein. Das AHV-Alter käme nach dieser Methode für Frauen auf derzeit etwa drei bis vier Jahre höher zu liegen als jenes für Männer. (Zum Vergleich: Von 1964 bis 2000 lag umgekehrt das AHV-Alter der Männer um drei Jahre höher als jenes der Frauen.) 
        
Die «privilegierte» Frau, NZZ vom 13. März 2015
        
Altersvorsorge 2020: Was die Reform für die Frauen bedeutet, Faktenblatt des Bundesamtes für Sozialversicherungen, 2015   

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Soll das AHV-Alter an die durchschnittliche Lebenserwartung gekoppelt werden? Und kann dabei das erhebliche Ungleichgewicht zulasten der Männer vermindert werden? 


CVP-Ständerat Peter Hegglin (ZG) fordert in einer am 18. März 2016 eingereichten  Motion die Einführung eines AHV-Referenzalters und dessen Anbindung an die durchschnittliche Lebenserwartung. 

Dieses AHV-Referenzalter könnte laut Hegglin z.B. 16 Jahre unter der durchschnittlichen Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung (Mann und Frau) liegen. So käme das derzeitige AHV-Referenzalter für Frauen und Männer auf rund 67 Jahren zu stehen. Zukünftig würde sich das AHV-Referenzalter mit steigender Lebenserwartung automatisch nach oben anpassen. Dieser Automatismus hätte den Vorteil, dass es nicht  immer wieder bei jeder Anpassung zu hitzigen politischen Debatten führen würde.

Durchschnittliche Rentenbezugsdauer:
(Grafik "10vor10", Sendung vom 26. Mai 2016)

Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt liegt bei Männern bei 
80.7 Jahren und bei Frauen bei 84.9 Jahren
(Bundesamt für Statistik, Stand 2015), d.h. Frauen werden durchschnittlich vier Jahre älter als Männer. Da Frauen auch noch ein Jahr früher als Männer in Rente gehen können, beziehen sie insgesamt durchschnittlich fünf Jahre länger Rente als Männer, wie die obige Grafik zeigt.

Tatsächlich findet bei der AHV eine Umverteilung zugunsten der Frauen statt. Das Ausmass dieser Umverteilung ist erheblich, wie die AHV-Statistik belegt: Auf der einen Seite bezahlen die Frauen 33 Prozent der Beiträge an die AHV, die Männer 67 Prozent. Auf der anderen Seite beziehen Frauen 57 Prozent der Leistungen, die Männer 43 Prozent. Die Renten der Frauen sind im Durchschnitt etwa gleich hoch wie diejenigen der Männer.

Erhebliche Umverteilung zugunsten der Frauen bei der AHV
:
(Grafik AHV-Statistik 2013, Bundesamt für Sozialversicherungen)


           
Bei der Kopplung des AHV-Alters an die durchschnittliche Lebenserwartung könnte Gleichberechtigung noch besser als in der Motion von Ständerat Hegglin erreicht werden, indem für Frauen und Männer nicht dasselbe Referenzalter, sondern dieselbe durchschnittliche Rentenbezugsdauer gilt, z.B. eine von 16 Jahren. Dazu würde das AHV-Referenzalter für Frauen und Männer entsprechend ihrer durchschnittlichen Lebenserwartungen getrennt berechnet. Da bei der durchschnittlichen Lebenserwartung zwischen Frauen und Männern ein signifikanter Unterschied besteht, könnte diese geschlechtsspezifische Differenzierung durchaus angebracht sein. Das AHV-Alter käme nach dieser Methode für Frauen auf derzeit etwa 3 bis 4 Jahre höher zu liegen als jenes für Männer.

So eine differenzierte Behandlung von Frauen und Männern hat das Bundesgericht im Zeitalter der Gleichberechtigung z.B. auch in einem Urteil vom 21. Januar 2010 bezüglich der einseitig für Männer geltenden Militärdienstpflicht als gerechtfertigt angesehen, indem es festgestellt hat, «dass Frauen aufgrund physiologischer und biologischer Unterschiede im Durchschnitt für den Militärdienst als weniger gut geeignet erachtet werden als der Durchschnitt der Männer». Dabei handelt es sich sogar lediglich um eine fragwürdige Einschätzung, bei der AHV hingegen sind es belegbare Zahlen.

Bei Einführung der AHV im Jahr 1948 lag das Rentenalter für Frauen und Männer bei 65 Jahren. 1957 wurde das Rentenalter für Frauen auf 63 Jahre und 1964 sogar auf 62 Jahre gesenkt. Das tiefere Frauenrentenalter wurde einerseits physiologisch begründet: Es wurde einfach haltlos argumentiert, die Körperkräfte der Frauen liessen im Alter früher nach als jene der Männer. Andererseits ging es darum, die unterschiedliche Behandlung der alleinstehenden gegenüber den verheirateten Frauen zu eliminieren. Verheiratete Frauen hatten damals zwar keinen eigenständigen Rentenanspruch, faktisch galt für viele von ihnen jedoch Rentenalter 60. Wenn sie nämlich 60 wurden, wurde die AHV-Rente des pensionierten Mannes durch die höhere Ehepaarrente ersetzt. Unverheiratete Frauen mussten also länger auf die Altersleistung der AHV warten. Darum drängten insbesondere die Frauenorganisationen darauf, das Frauenrentenalter generell auf 60 zu senken. Solche Argumente für ein tieferes Frauenrentenalter gibt es heute jedenfalls nicht mehr. 2001 wurde das Frauenrentenalter auf 63 Jahre angehoben und 2005 auf 64 Jahre. Seit 1948 bis heute lag das Frauenrentenalter somit um ein bis drei – beziehungsweise teilweise sogar um fünf – Jahre tiefer als das Männerrentenalter. Das hat die AHV-Kasse stark belastet, auch angesichts der Tatsache, dass dies trotz der durchschnittlich höheren Lebenserwartung der Frauen so war, und da aus den beiden Gründen die Rentenbezugsdauer der Frauen viel höher lag als jene der Männer. 

Fazit: Jahrzehntelang lag das Männerrentenalter um drei Jahre höher als das Frauenrentenalter. Warum sollte es jetzt nicht auch einmal umgekehrt sein können, wenn dadurch die Gleichberechtigung bei der Rentenbezugsdauer erreicht werden kann und um das erhebliche Ungleichgewicht zulasten der Männer bei der Umverteilung zu vermindern?
                

    


AHV 21


Diese Vorlage wurde in der Volksabstimmung vom 25. September 2022 angenommen. Sie tritt voraussichtlich am 1. Januar 2024 in Kraft. 

Es geht dabei um die Vereinheitlichung des Referenzalters für Männer und Frauen auf 65 Jahre in der AHV und in der obligatorischen beruflichen Vorsorge. Bisher profitierten die Frauen von dem tieferen Rentenalter 64, obwohl seit über 40 Jahren in der Bundesverfassung das Gleichberechtigungsgebot für Frauen und Männer besteht. 

Die Anpassung hätte also schon längst erfolgen sollen. Nichtsdestotrotz soll die Gleichberechtigung auch bei dieser Vorlage noch hinausgezögert werden, indem das Referenzalter der Frauen etappenweise von 64 auf 65 Jahre angehoben wird (drei Monate pro Jahr). Zudem soll es Ausgleichsmassnahmen für Frauen der Übergangsgeneration (9 Jahrgänge) geben, welche ihre Altersrente nicht vorbeziehen, mit einem lebenslangen AHV-Zuschlag. Der Zuschlag ist nach Geburtsjahr und durchschnittlichem Jahreseinkommen abgestuft. Männer mit denselben Einkommen erhalten diesen Zuschlag nicht. In dieser Übergangszeit soll es zudem tiefere Kürzungssätze für Frauen geben, die frühzeitig in Rente gehen, abgestuft nach Einkommen. 

Die Männer haben also wieder einmal das Nachsehen.

Die "AHV 21" beinhaltet die Möglichkeit des Rentenvorbezugs ab 62 Jahren sowie eine Flexibilisierung des Rentenbezugs bei einer Pensionierung zwischen 63 und 70 Jahren in AHV und der obligatorischen BV mit einem gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand durch Einführung des Teilrentenvorbezugs und des Teilrentenaufschubs. Anreize für die Weiterführung der Erwerbstätigkeit ab 65: Nach Erreichen des Referenzalters können AHV-Beiträge auf kleinen Löhnen bezahlt werden (der Freibetrag von aktuell CHF 1'400/Monat ist freiwillig). Nach dem Referenzalter geleistete AHV-Beiträge werden berücksichtigt, um die Rente aufzubessern.

Eine Zusatzfinanzierung erfolgt durch eine zeitlich unbegrenzte proportionale Mehrwertsteuererhöhung von 0,4 Prozentpunkten.
                

 





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